RHEINISCHER MERKUR, 17. MÄRZ 2005

ATTACKEN AUF MEDIZIN UND MUT

Maoistische Truppen bedrohen ein ganzes Land - und sogar die, die dort Kranke pflegen

von Eckart Klaus Roloff

Es gibt Menschen, die bauen etwas auf, was sie nicht aufbauen müssten. Sie packen von sich aus zu und schaffen es sogar, andere mitzureißen und zu begeistern. ihre Hilfe hat Erfolg, es geht aufwärts. Doch dann müssen sie erleben, dass Widersacher ihr Werk gefährden, vielleicht gar zerstören.

Eine, die so bedroht wird, ist Marianne Grosspietsch, die Vorsitzende eines Lepra-Vereins, den sie 1992 unter dem Namen Shanti in Dortmund gründete. Seitdem ist die Theologin davon erfüllt – durchaus ihre Art von Mission –, in Kathmandu, Nepals Hauptstadt, etwas für Leprakranke und andere Patienten zu tun, ob Kinder oder Erwachsene, ob Cholera-, Typhus-, Tbc-, Polio- oder Aidsopfer.
Jahrelang war das unter harten, aber einigermaßen gesicherten Umständen möglich. In letzter Zeit aber bedroht die Politik die Medizin und das Sorgen für andere. »Maoistische Rebellen haben weite Teile Nepals auf brutale Art lahm gelegt«, berichtet uns Marianne Grosspietsch. Das Echo darauf: »Die einfache Bevölkerung ist voller Resignation, während die Gebildeteren mit hilflosem Zorn reagieren und endlos über die Aussichtslosigkeit der Lage debattieren.«

Die Maoisten attackieren damit, von Medien und westlicher Politik kaum beachtet, eines der weltweit ärmsten Länder, eingekeilt zwischen China und Indien. Dem könnten sie gewiss keine bessere Zukunft bieten, auch wenn sie zum Motiv ihres Treibens stets sagen, das Los der Armen bessern zu wollen. Die wirtschaftliche Lage ist desolat, die Inflation blüht, die politische Kaste mit einem König an der Spitze ist instabil, korrupt und hilflos. Ohne ausländische Unterstützung wäre die medizinische Versorgung noch schlechter.

In Asien, Afrika und Südamerika gibt es heute noch viele Lepröse. Die Zahl wird auf sechs Millionen geschätzt; vor Jahrzehnten waren es doppelt so viele. Charakteristisch ist die starke Vermehrung von Bakterien auf Haut und Schleimhaut. Sie wuchern oft zu Knoten und Geschwüren, im Gesicht, an Armen und Beinen, ein Stigma seit dem Altertum, obwohl die Ansteckungsgefahr viel geringer als behauptet ist. Dazu kommen Fieber, chronischer Schnupfen, Atemnot, lockere Zähne.

Den Kranken zu helfen wird immer schwerer, das erfährt die Shanti-Gruppe täglich – und dabei steht das Wort Shanti für Frieden. Wenn die Maoisten unter Androhung von Gewalt einen Bandh, einen Generalstreik ausrufen, dann dürfen Geschäfte nicht offen halten und Handwerker nicht arbeiten, auch nicht in Marianne Grosspietschs immer größer gewordenen Krankenstationen mit Hospiz, Ambulanz, Schule und Kindergarten. Viele Gebäude, Brücken und Straßen wurden schon von denen zerstört, die dem Volk Aufbau und Wohlstand versprechen.

»Da könnte ich resigniert zu dem Schluss kommen, die medizinische Hilfe, die Nepal erhielt, war vergeblich«, meint Marianne Grosspietsch, »aber andererseits sehe ich durch die Mitarbeiter von Shanti, wie viel Fleiß, Aufbauwille und Sehnsucht nach Demokratie in anderen Menschen lebt.« Viel Förderung erhielt und erhält sie auch von der Deutschen Botschaft. Ihr macht es Mut, dass Ärzte, Schwestern und Pfleger lernen, was ihnen Ausländer an Therapien und Zuwendung bringen – »das will ich für uns und mich bewahren«.

Wenn der Dortmunder Verein zunächst vor allem an die Behandlung Lepröser dachte, so geht es nun um ganz andere Aufgaben: Viele verstörte Eltern brachten ihre Kinder zu Shanti, nachdem Maoisten ganze Schulklassen entführt hatten – sie wollen eine Armee mit 50 000 Kindern aufbauen. »Zurzeit ernähren wir nicht nur die gut 1100 Menschen unserer Station«, erzählt Marianne Grosspietsch, »sondern geben täglich noch etwa 1000 warme Mahlzeiten an Bedürftige aus.«

Oft fragen verzweifelte Menschen bei ihr nach, ob sie nicht in den Werkstätten für die Leprakranken arbeiten könnten. Doch es ist schwer, sie alle angemessen zu bezahlen. Für die Patienten aber ist das Arbeiten mit Stoffen, Papier, Wolle, Metall und Farben sehr wichtig, um die verkrüppelten, oft gefühllosen Hände einigermaßen beweglich zu halten. »Das hilft ihnen jeden Tag und hoffentlich weiter trotz der Gefahren von außen«, sagt Marianne Grosspietsch.

Die Shanti Leprahilfe (Olpketalstraße 63, 44229 Dortmund) hat das Spendenkonto 177 77 13 bei der Deutschen Bank Dortmund (BLZ 44070024).
www.shanti-leprahilfe.de