RUHR NACHRICHTEN, 15. Juli 2006

UNTER DEN FÜSSEN UND IM HERZEN

WM-Teppich-Verkauf

Die Erinnerungen der Dortmunder an die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sind so strapazierfähig und haltbar wie Kokosfasern. Aus diesem Material bestand der Rote Teppich, der Hunderttausenden Fans den Weg wies vom Fan-Fest auf dem Friedensplatz, die WM-Meile Hohe Straße hinauf, bis zum Stadion. Seit gestern wird der knapp 2,5 km lange Läufer zerschnitten und verkauft. Als Meterware an Dortmunder und Umländer, die sich das weltmeisterliche Gefühl auf Balkon oder Terrasse, unter dem Küchentisch, vor der Wohnungstür oder als Bettvorleger bewahren wollen. Ein kleines Stück WM unter den Füßen – ein großes Stück WM im Herzen. Die Fans standen Schlange dafür.

Die Erinnerung an eine tolle Zeit.
WM-Teppich: Schon 150 Meter sind verkauft

Als Marianne Großpietsch gestern um 14 Uhr auf dem Propsteihof den Startschuss zum Verkauf des WM-Teppichs gab, standen die Kunden schon Schlange. Halb nepalesische Tracht, halb Fan-Kutte, ein Lebkuchenherz mit der Zuckeraufschrift »Football-Worldcup 2006« um den Hals: So schrill verkleidet kurbelte die Vorsitzende der Shanti-Leprahilfe den Verkauf der Matten als Meterware an. Und zwinkerte jedesmal mit den schwarz-rot-goldenen Klebe-Wimpern, wenn wieder ein besonders großes Stück unters Messer gekommen war. Schließlich kommt der Erlös behinderten Kindern in Nepal zugute.

Erster Kunde von allen war Theodor Margraf. Der 57-Jährige nahm eine 7,30 m lange Rolle komplett. Macht bei 10 € pro Meter stattliche 73 €. Kein Cent zu viel für ein starkes Stück WM, meint Margraf. »Diese Weltmeisterschaft war ein so tolles Erlebnis. Das ist nicht mehr zu toppen. Ich bin mehrfach an Spieltagen diesen Teppich rauf und runter spaziert«, sagt er. Jetzt soll der Läufer auf dem Balkon ihn jederzeit daran erinnern.

Winfried Brinkmann (53) ist mit Tochter Marina (23) gekommen. Er wohnt in Bottrop, sie in einer Studentenwohnung in Dortmund. Sie nahm dreieinhalb Meter für den Flur, er zweieinhalb. »Während der WM bin ich über den Teppich ins Stadion gegangen«, sagt Marina – und fügt kleinlaut hinzu: »Leider zum Halbfinale.« Der Rückweg war ein Trauermarsch.

Beate Krause (68) bekam am Donnerstagabend einen Anruf von Sohn Michael (38). Der macht gerade Urlaub in Oberstaufen. »Mama«, hat er gesagt, »du musst da hin und ein Stück Teppich kaufen!« Wie sich das gehört für eine nette Mama, stand Beate Krause gestern in der prallen Sonne Schlange. Ein Meter für den fußballverrückten Sohn und die drei fußballverrückten Enkel, einen halben Meter für sich selbst. »Den lege ich in den Hausflur vor die Wohnungstür«, sagt sie. »Mal sehen, was die Nachbarn sagen.«

Auch Wolfgang Protzek erledigte den Teppicheinkauf gleich für die ganze Familie. Der Lüner hat das Gros der WM auf dem Dortmunder Friedensplatz erlebt und gefeiert. 1,50m Erinnerung gönnte er sich. Einen Meter nahm er für Tochter Silvia mit. »Die wohnt ja Hohe Straße. Die hatte den Teppich vier Wochen vor der Wohnung. Jetzt hat sie ihn darin.«