WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU, 15. JULI 2006

Die WM lebt auf Balkon und Terrasse weiter

Der rote Teppich zum Stadion wird für die Shanti Lepra Hilfe verkauft – Echte Kenner brauchen kein Echtheitszertifikat

von Jürgen Potthoff

Theodor Margraf hat die ganze WM-Kollektion zuhause: Fan-Trikot, Autofahne und die einschlägige »Sportfreunde Stiller«-CD. Alles vergängliches Zeugs. Seit gestern aber adelt ein Stück abgelaufener roter Teppich seine Erinnerungskollektion 2006. Margraf wird der Fußball-WM für immer auf seinem Balkon huldigen.

Hunderttausende haben ihn oft achtlos mit Füßen getreten: Jetzt kommt der rote Teppich, der während der Fußball-Weltmeisterschaft die City über die Hohe Straße mit dem Stadion verband, bei echten Liebhabern aufs Altenteil. Das rote Laufband aus deutscher Kokosweberei wird seit gestern zugunsten der »Shanti Lepra Hilfe« gestückelt und verkauft.

Verkaufsförderung für den guten Zweck liegt Marianne Großpietsch im Blut: Die Frau, die seit über 15 Jahren Leprakranken Menschen in Nepal hilft, hört gar nicht wieder auf zu reden, wenn man sie fragt: »Und, was soll man mit so einem Stück Teppich anfangen?«

»Ach«, sagt Großpietsch, »zum Beispiel Fußmatten oder Vorleger fürs Bett daraus machen. Man könnte ihn natürlich auch an die Wand nageln und einrahmen. Oder ganz klein schneiden und Ohrringe daraus anfertigen.«

Rund 90 stattliche Rollen mit WM-Teppich stapeln sich auf dem Propsteihof. Man mag das gar nicht in Ohrringe umrechnen. »Ein Meter zehn Euro. Greifen Sie schnell zu«, ruft Pfarrerin Christa Schaaf, gestern ausnahmsweise als Teppichhändlerin unterwegs. Zum Beginn der Aktion um 14 Uhr bildet sich eine kleine Schlange. Sehleute sind dabei – aber auch erfahrene Sammler wie Paul und Beate Krause aus Wellinghofen. »Wir haben auch schon Sitzschalen aus dem alten Westfalenstadion gekauft«, erklärt Paul Krause. Diesmal lässt er sich 2,50 Meter WM-Erinnerung in zwei Stücken abschneiden. Ein Stück hat sein Sohn geordert. Der Erbe des Sammlers.

Ziemlich weit vorn in der Schlange steht Frank Kaden. Er kann eine dieser wunderschönen Geschichten erzählen, wie sie nur die Fußball-WM in Deutschland schreiben konnte. Kaden braucht drei Meter Teppich für zwei Grabeland-Gärten in Derne. »Seit 20 Jahren haben wir da Hecke an Hecke gelebt. Zur WM haben wir einen Durchbruch in die Hecke gemacht, weil wir immer zusammen Fußball geguckt und gefeiert haben. Jetzt legen wir den roten Teppich in diesen Durchbruch, 1,50 Meter auf meiner Seite und 1,50 Meter auf der anderen.« – So völkerverbindend war die WM auch im eigenen Land.

»Echtheitszertifikate 4 Euro«, ruft Christa Schaaf ins Megaphon. Stempel und Unterschrift auf den ersten Zertifikaten wurden in der ersten Hektik leider vergessen. »Aber den Teppich erkennt doch jeder wieder«, meint Thorsten Menzel. »Da sind wir doch alle jeden Tag drüber gegangen.«

Rund 150 Meter wurden gestern verkauft. Gut 1000 von einst 2500 Metern kommen auf den »freien Markt«. Ein großes Stück staatstragenden Teppich hat das Theater Dortmund bekommen. Ansonsten gab's viel Ausschuss. Auch dem fürs Wohnzimmer gekauften Stück von Maria Degeling und Daniel Gigengack sieht man an, dass es einen Monat lang Fußabtreter für die ganze Welt war. Macht nichts. »Es gibt ja Hochdruckreiniger«, sagt Maria.

Ein Stück WM-Teppich als Erinnerung

Über einen Monat lang hat er den Weg von der Innenstadt zum Stadion markiert. Jetzt hat der einst 2,5 Kilometer lange rote Teppich von Dortmunds »WM-Meile« seinen letzten Auftritt. Zugunsten der »Shanti Lepra Hilfe« wird er in Stücken verkauft. 150 Meter sind bereits weg. Die Fußball-Fans, die sich gestern in die erste Schlange einreihten, sind zum Teil erfahrene Souvenirsammler. Manche rote Kokosmatte wird sich in heimischen Fußballmuseen neben den ursprünglichen Sitzschalen des Dortmunder Westfalenstadions wiederfinden, die im vergangenen Sommer begeisterte Abnehmer, gefunden hatten. Heute läuft der Verkauf von 12 bis 18 Uhr im Innenhof der Propsteikirche weiter. Was übrig bleibt wird später im Internet versteigert.